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Kündigungsschutz bei unerwarteter Schwangerschaft: Arbeitnehmerin darf Überlegungszeitraum geltend machen

Mutterschutz und Kündigungsschutz für Arbeitnehmerinnen

Beim gesetzlichen Mutterschutz gilt als eine der wichtigen Fragen: Kann die Arbeitnehmerin angemessen reagieren, hatte sie überhaupt ausreichend Zeit ihre Situation zu realisieren? Denn die Zwei-Wochen-Frist zur Mitteilung der Schwangerschaft an einen Arbeitgeber nach einer Kündigung ist vom Gesetz her für Frauen gedacht, die schon länger von ihrer Schwangerschaft wissen. Ist aber genau dies nicht der Fall, so ist ein größerer Zeitraum einzuräumen, entschied das Bundesarbeitsgericht.

Schaut man sich den Sachverhalt an, so wird die Entscheidung der Bundesrichter auch schnell nachvollziehbar: Einer 20-jährigen Zahnarzthelferin wurde während ihrer Probezeit gekündigt. 13 Tage nach Zugang der Kündigung wurde bei ihr eine Schwangerschaft festgestellt. Dies kam so überraschend, dass sie damit in eine für sie verzweifelte Lage geriet. Sie wusste zunächst nicht, wie sie ihrem Freund und ihrer Mutter von der Schwangerschaft berichten sollte.

Nachdem sie sich Klarheit verschafft hatte, teilte sie ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft mit und beanspruchte den besonderen Kündigungsschutz für Schwangere. Der Arbeitgeber bestand aber auf der Kündigung, da bereits die zweiwöchige Mitteilungsfrist abgelaufen war. So kam es zu Kündigungsschutzklage gegen die Praxis.

In der zweiten Instanz stellte das Landesarbeitsgericht München fest, dass die Kündigung nicht gegen das Mutterschutzgesetz verstoße und daher wirksam sei. Das von der jungen Mutter daraufhin angerufene Bundesarbeitsgericht sah dies hingegen anders und entschied mit Urteil vom September 2002, dass der jungen Frau sehr wohl Mutterschutz beziehungsweise Kündigungsschutz zustehe.

Grundsätzlich gilt: Eine Kündigung gegenüber einer schwangeren Frau ist gesetzlich zulässig unzulässig, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft bekannt war oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wurde. Beides sei zwar hier nicht der Fall gewesen – jedoch sei das Versäumnis der Mitteilungsfrist letztlich unschädlich, so das Bundesarbeitsgericht, da es auf einem von der Klägerin nicht zu vertretenden Grund beruht habe. Die Mitteilung an den Arbeitgeber sei dann ja auch unverzüglich nachgeholt worden.

Dabei sei besonders darauf zu achten, so die Richter, dass der Sinn des Gesetzes unter anderem darin bestehe, werdende Mütter von den psychischen Belastungen einer Kündigung zu schützen – und damit (wie im vorliegenden Fall) der Schwangeren nach Kenntnis der Schwangerschaft eine zumindest kurze Überlegungsfrist einzuräumen.

Würde man diese Fristen anders beurteilen, müsste zum Beispiel eine schwangere Frau, die erst am letzten Tag der Mitteilungsfrist von ihrer Schwangerschaft erfährt, ihren Arbeitgeber davon unmittelbar in Kenntnis setzen. Das sei aber nicht akzeptabel, da so die Überlegungsfrist praktisch auf “Null” reduziert werde.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.9.2002, AZ – 2 AZR 392/01 –

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